Japan bis 710 n. Chr.: Am Anfang war die Sonne

Japan bis 710 n. Chr.: Am Anfang war die Sonne
Japan bis 710 n. Chr.: Am Anfang war die Sonne
 
Japan, japanisch seit dem frühen 8. Jahrhundert Nippon oder Nihon, das heißt »Land der aufgehenden Sonne« (Marco Polo nannte das chinesische Jih-pen-kuo, gesprochen Jipang, »Zipangu«, auf das der Name Japan zurückgeht), ist die Bezeichnung für die Inselkette (insgesamt 377 819 km2), die mit über 2400 km Länge dem asiatischen Kontinent im Osten von Nordosten nach Südwesten bogenförmig im Pazifik vorgelagert ist und sich vom 45. bis zum 24.nördlichen Breitengrad erstreckt (vergleichbar sind die Breitengrade des Brenners und Mauretaniens). Sie besteht aus den vier großen Inseln Honshū, Hokkaidō, Kyūshū und Shikoku und weiteren etwa 4000 gebirgigen, meist unbewohnten Inseln. Sie sind Teil des den Pazifik umgebenden Vulkangürtels mit heute noch etwa 40 tätigen Vulkanen; dessen Gebirgszüge mit über 3000 m hohen Bergen (höchste Erhebung ist der Fuji mit 3776 m) kammern das Land, das nur über wenige Ebenen, meist am Pazifik, verfügt. Mehr als 12 000 heiße Quellen weisen auf lebhafte geologische Aktivitäten hin, Erdbeben sind häufig. Da Japan zwischen dem eurasischen Kontinent und dem Pazifik liegt, ist sein Klima zugleich kontinental und maritim: subtropisch im Sommer, gemäßigt kalt im Winter, wozu auch der warme Äquatorialstrom Kuroshio beiträgt. Der Boden ist außerordentlich fruchtbar, in Südwestjapan sind bei günstigen Bedingungen zwei Ernten im Jahr möglich.
 
 Wo kommen die Japaner her?
 
Es wird vermutet, dass vor mehr als 500 000 Jahren eiszeitliche Völker aus dem asiatischen Raum und aus dem Südpazifik über die damals noch vorhandenen Landbrücken im Norden, über Sachalin/Kamtschatka —Kurilen —Hokkaidō oder im Westen über Korea —Tsushima —Kyūshū im Gefolge jagdbarer Tiere (Mammuts, Bären, Hirsche, Wildschweine) einwanderten und im Süden dem Äquatorialstrom Kuroshio folgend über die Inselbrücke Philippinen —Taiwan —Ryūkyūinseln nach Japan kamen. Auf eine so frühe Besiedlung deuten Funde von Steinwerkzeugen in 500 000 bis 600 000 Jahre alten Vulkangesteinsschichten (Takamori I, Präfektur Miyagi, 1993) hin, roh bearbeitete Faustkeile (»chopper-stones«), die in ähnlicher Form in ganz Ostasien auftreten. In jüngeren Lagen fanden Archäologen Stichel, Schaber, Klingen und Werkzeuge aus Obsidian sowie versteinerte Menschenknochen, zum Beispiel in Ushikawa bei Nagoya, Mitsukabi und Hamakita bei Shizuoka, in der Präfektur Oita und an anderen Fundstellen, jedoch keine Keramiken, weshalb Wissenschaftler diese Zeit auch »vorkeramisch« nennen. Ob es eine einheitliche altsteinzeitliche Kultur in Japan gegeben hat, ist umstritten, denn über diese Ur- oder Protojapaner ist nichts Näheres bekannt. Es wird angenommen, dass sie der protonegriden und der protomongolischen Rasse angehörten. Spätere Einwanderungsströme (um 8000 v. Chr.) führten Vorfahren der Mongoloiden nach Japan, die sich mit den vorhandenen Protojapanern vermischten. Sie brachten von Hand gefertigte bizarre Keramiken mit, die mit Schnurmustern verziert sind (»Jōmon«, japanisch »jō« bedeutet Schnur, »mon« Muster); nach ihnen wird diese Periode »Jōmonkultur« genannt. Die Jōmon-Japaner waren überwiegend Jäger, Fischer und Sammler, lebten in polygamen Gemeinschaften in Höhlen, wurden später nach und nach sesshaft und bauten rechteckige oder runde Wohngruben, die mit Grassoden, Zweigen oder Baumrinde überdacht waren — eine wärmende Wohnform, die auf nördliche, vermutlich mongolisch-sibirische Ursprungsgebiete hinweist. Die Jōmon-Japaner besaßen Jagdwaffen mit Speer- und Pfeilspitzen aus Stein, Klingen und Bohrer aus Stein sowie Angelhaken und andere Werkzeuge aus Knochen und Horn, die man in verschiedenen Erdschichten gefunden hat. Sie kleideten sich in Felle oder grobes Gewebe aus Bast oder Hanf und schmückten sich mit Muscheln und Steinen; Tätowierungen, abgefeilte und gezogene Zähne galten als schön. Mutterrechtlich organisierte Gemeinwesen herrschten im Südwesten vor, wo die Besuchsehe (»yobai«) galt, was auf Einwanderer aus dem malayisch-polynesischen Raum hinweist, vaterrechtliche Strukturen fanden sich mehr in Zentraljapan, wo überwiegend Einwanderer vom Kontinent siedelten. Vor bösem Einfluss der Totengeister und der Dämonen der Naturgewalten schützten Amulette. Verehrung von senkrecht aufgestellten länglichen Steinen, weiblichen Tonfiguren und phallischen Symbolen lassen auch auf Fruchtbarkeitskulte schließen, sonnenradförmige Steingruppierungen auf Anbetung der Sonne.
 
 Die Entstehung der Reisbauernkultur
 
Vermutlich durch eine neue Einwanderungswelle vom asiatischen Kontinent, die im 2. Jahrhundert v. Chr. durch die Konsolidierung des chinesischen Hanreiches sowie die Verdrängung der Randvölker im Becken des Jangtsekiang und in Südchina ausgelöst wurde, überlagerten Menschen einer höheren Kulturstufe die Alteingesessenen als Oberschicht. Sie brachten neben Reisanbau, Pferden, Rindern und Geflügel auch Ackerbaugeräte aus Kupfer, Bronze und Eisen, bessere Waffen und einen neuen Haustyp mit, ebenerdige und aufgeständerte Hütten, die nach und nach die Wohngruben ablösten, eine Wohnform, die auf Bewohner feuchter Ebenen aus dem südchinesischen und südostasiatischen Raum hindeutet. Diese Kultur, die sich bis um Christi Geburt bis in die Kantōebene (Tokio) verbreitete, dauerte etwa von 300 v. Chr. bis 300 n. Chr. Sie wird als Yayoizeit bezeichnet, nach der schmucklosen, auf der Töpferscheibe gefertigten Keramik, die in Yayoi, einem Stadtteil von Tokio, gefunden wurde. In dieser Zeit wurden die Japaner endgültig sesshaft und legten in den wenigen Ebenen oder Flusstälern und an den Küsten Dörfer an, die relativ unabhängig nebeneinander existierten, aber einem gemeinsamen obersten Herrscher untertan waren. Die chinesische Chronik »Wei-zhi« (»Geschichte des Staates Wei«, 297 n. Chr.) berichtet von über »100 Königreichen im Lande Wa«, die durch Gesandte und Botschaften Verkehr mit dem chinesischen Hankaiser pflegten. Sie standen unter Führung einer Königin namens Himiko von Yamatai. Die Lage von Yamatai ist unklar, es wird in Zentralkyūshū, aber auch im Narabecken vermutet; die Königin Himiko wird in der japanischen Geschichtsschreibung nicht erwähnt. In den Dörfern lebten Familien oder Sippen, die auch das blutsmäßig nicht verwandte Gesinde als Hausgenossen in ihre Wirtschaftsgemeinschaften einbezogen. Sie waren nunmehr meist patriarchalisch strukturiert: Männer organisierten gemeinsam die Bewässerung der Reisfelder, bauten Wassergräben, Dämme, Häuser, verteidigten die Dörfer, jagten und fischten, Frauen besorgten die Haus- und Feldarbeit. Es kann angenommen werden, dass in dieser Zeit bereits Arbeitsteilung einsetzte, denn das Herstellen von Keramiken, Webwaren, Metallwerkzeugen und Waffen setzte die Beherrschung von Techniken voraus, die über die üblichen bäuerlichen Handfertigkeiten hinausgingen. Ausgrabungen von Siedlungen der Yayoizeit (zum Beispiel Toro bei Shizuoka) weisen auf Dorfgemeinschaften hin, die in Hütten mit Lehmfußboden als Arbeitsbereich und einem erhöhten Wohnbereich lebten. Dem Oberhaupt eines Dorfes oblagen zur Saat- und Erntezeit als Priester die jeweiligen Zeremonien (Darbringung von Opfergaben, Beschwörungen) für die Haus- und Feldgottheiten. Vermutlich haben sich in der 2. Hälfte der Yayoizeit einzelne Dorfgemeinschaften zu Sippenverbänden zusammengeschlossen, die »uji« genannt wurden. Sie bildeten kleine Staaten (»kuni«), an deren Spitze als weltliche und religiöse Herrscher die »uji no kami« standen. Sie waren als Grundherren Eigentümer des Landes; dieses gaben sie zu unterschiedlichen Pacht- und Nutzungsbedingungen weiter, woraus sie ihre Einkünfte und Machtstellung bezogen. Den »uji« angegliedert waren Gruppen von Fachleuten (»be«) für die verschiedensten Berufe, zum Beispiel Weber, Schmiede, Töpfer, die den Herrschenden dienstbar waren; dabei handelte es sich häufig um Einwanderer vom Festland. Unfreie (»tomobe«) für niedere Arbeiten galten als veräußerliches Eigentum der »uji«.
 
 Shintō — Der Weg der Gottheiten
 
Die religiöse Vorstellung der Frühzeit war ein einfacher Animismus, eine von Geistwesen (»kami«) beseelte Naturwelt, die mit ihren übernatürlichen Kräften das menschliche Dasein beeinflusst. Diese Geistwesen günstig zu stimmen und deren Kräfte sich untertan zu machen war Aufgabe von männlichen und weiblichen Schamanen, die häufig auch die Herrschaft ausübten. Sie galten als unantastbar, ihre Wohnstätten, eingefriedete Haine mit Quellen oder Brunnen zur symbolischen Reinigung sowie größeren Hütten, waren sakrale Bereiche, wo sie Schutz und Beistand der »kami« erflehten und Kulthandlungen zur Zeit der Aussaat und Ernte vornahmen: Ritualgebete, Tänze und Reinigungszeremonien. Später waren den »kami« besondere Gebäude geweiht, in denen ihre materielle Verkörperung (»shintai«) in Gestalt einer Tonfigur, eines Steines oder Spiegels eingeschreint war. Die Toten wurden auf abseits der Dörfer gelegenen Begräbnisplätzen in einfachen Stein- oder Tonsärgen bestattet; diese enthalten gelegentlich persönliche Gegenstände oder verzierte Spiegel und »Handglocken« (»dōtaku«), deren zeremonielle Bedeutung bisher noch unklar ist (Jagdzauber? Regenruf?).
 
Der Glaube der Frühzeit nahm später Elemente chinesischer Religionen (Daoismus, Yinyang) und den patriarchalischen Ahnenkult auf und wurde zu einem »Weg der Gottheiten« (japanisch »kannagara no michi«, sinojapanisch »shintō«, »shin« bedeutet »Gott«, »tō« oder »dō« »Weg«), der die Vergöttlichung der Ahnen und der Schirmherren bestimmter sozialer Gruppen mit einschließt; er führte zu einem Polytheismus, in dem die Gottheit Amaterasu (»Die am Himmel Strahlende«), vermutlich eine deifizierte Schamanin, Gründerin eines »uji« oder eine Herrscherin über ein »kuni«, eine zentrale Position einnimmt. Heilige Kleinodien (Schwert, Spiegel und »Krummjuwelen«) waren zugleich Symbole der Herrschaft; gemäß der Überlieferung hatte die Sonnengöttin sie dem Ahnherrn der kaiserlichen Sippe übergeben.
 
 Die Entstehung des Staates Yamato
 
Nach den Mythen in den Annalen »Kojiki« (»Aufzeichnung von Begebenheiten aus alter Zeit«) von 712 und dem »Nihonshoki« (»Chronik Japans«) von 720 hat der Ururenkel der Sonnengöttin, der später den Namen Jimmu erhielt, 660 v. Chr. von Kyūshū kommend nach einem siegreichen Feldzug in Kashiwara bei Nara das Reich Yamato gegründet. Gemäß neueren Forschungen soll der legendäre Jimmu-Tennō mit dem halb historischen Sujin-Tennō (nach der Legende 93—30 v. Chr, tatsächlich 3. oder 4. Jahrhundert) identisch sein, sodass die Reichsgründung zu Anfang des 4. Jahrhunderts anzusetzen ist. Die in den Mythen berichteten Kä mpfe der himmlischen Gottheiten mit den irdischen Mächten beschreiben die Auseinandersetzungen mit den Randvölkern, den Kumaso in Kyūshū, koreanischen Siedlern in Westhonshū (Izumo), den Ebisu in Zentral- und Nordosthonshū und mit Silla (Ostkorea), die den Staatsgründungsprozess begleiteten. Sicher ist, dass die etwa dreißig »uji« sich in dieser Zeit zu dem Reich Yamato zusammenschlossen, einer losen Konföderation, deren Zentrum in dem fruchtbaren Becken von Nara in Zentraljapan lag. Die Sippe, die ihren Ursprung auf die Sonnengottheit Amaterasu zurückführte und ihren Oberpriester stellte, war für die Beziehungen zum Festland zuständig, ihre »uji no kami« übten als »Primi inter Pares«, das heißt als Erste unter Ranggleichen, richterliche Funktionen bei Streitigkeiten unter den »uji« aus. Diese Sonderstellung ermöglichte es ihnen, nach und nach andere »uji« in eine lose Abhängigkeit zu bringen und als »Oberster Landesherr« (»sumera mikoto«) die dauernde Herrschaft für ihre Familie zu erringen. Aus ihr gingen die Tennō hervor.
 
Ab dem 4. Jahrhundert ließen sich die Herrscher immer größere Grabstätten (Hügelgräber, »kofun«) errichten, von denen manche die ägyptischen Pyramiden an Größe übertreffen; charakteristisch ist ihre Schlüssellochform. Die größte Grabstätte ist die des legendären Tennō Nintoku (313—399?); sie ist 480 m lang, 305 m breit und 33 m hoch und wurde vermutlich in einem Zeitraum von 15 bis 20 Jahren von mehr als 1000 Fronarbeitern erbaut. Die »kofun« enthalten als Grabbeigaben Tonmodelle von Menschen, Häusern, Tieren, Schmuck und Waffen. Das Auftreten der Hügelgräber ist ein Kennzeichen für den Beginn einer Konsolidierung des japanischen Staates, der die politische Macht und die wirtschaftliche Kraft hatte, derartige Bauwerke zu organisieren. Unter dem Einfluss des Buddhismus endete im 7. Jahrhundert der Bau dieser Gräber.
 
 Die Übernahme der chinesischen Kultur
 
Die 1949 veröffentlichte Theorie des Historikers Egami Namio, wonach die Bildung des Staates Yamato auf die große Invasion eines koreanisch-mandschurischen Reitervolkes zurückzuführen ist, bleibt umstritten. Beziehungen zum Festland hatte es seit den frühesten Zeiten gegeben, und eine gleiche Abstammung einiger Bevölkerungsgruppen in Japan und Korea ist anzunehmen. Japan hatte im 4. Jahrhundert in Südkorea die Kolonie Mimana gegründet und griff immer wieder in die Kriege der drei um die Vorherrschaft kämpfenden koreanischen Staaten Koguryŏ, Silla und Paekche zugunsten des Letzteren ein. Über Mimana und Paekche wanderten Chinesen und Koreaner ein und brachten ab etwa dem 4./5. Jahrhundert die chinesische Schrift und den Konfuzianismus nach Japan sowie neue Techniken der Metallverarbeitung, Architektur, Weberei, Färberei, Keramik, Astronomie, Heilkunde und Musik, was der Entwicklung der japanischen Kultur neue Impulse verlieh. Erst 562 gelang es Silla, die Japaner endgültig aus Korea zu vertreiben. Bleibenden Einfluss übte der Buddhismus aus, der nach jahrhundertelanger Entwicklung und Spaltung in drei große Richtungen mit einer Vielzahl von Schulen im 1. Jahrhundert nach China und gegen Ende des 4. Jahrhunderts nach Korea gekommen war. Im Jahre 552 ließ Syŏng-myŏng, der König des verbündeten koreanischen Reiches Paekche (japanisch Kudara), Buddhastatuen und Sutren dem Kimmei-Tennō (539—571) mit dem Hinweis überreichen, dass »diese Lehre von fernher, von Indien bis in die drei Staaten von Korea gelangt ist, wo sie der Predigt gemäß aufgenommen wird und es niemanden gibt, der sie nicht ehrte und schätzte«. Die shintoistischen Adelsfamilien Nakatomi, die für das religiöse Zeremoniell, und Mononobe, die für den Schutz der Herrscher zuständig waren, befürchteten den Verlust ihrer politischen, wirtschaftlichen und sozialen Stellung und widersetzten sich erfolglos der Einführung des Buddhismus, zumal auch der Yōmei-Tennō (585—587) dem neuen Glauben wohlwollend gegenüberstand, der eigentlich seine auf dem Shintō basierende Machtstellung untergrub. »Er glaubte an das Gesetz Buddhas und verehrte den Weg der Gottheiten,« heißt es im »Nihonshoki«. 587 erreichte die Familie Soga, die für den neuen Glauben eintrat, Gleichberechtigung für den Buddhismus; sie erhielt die Erlaubnis, Tempel zu bauen und zu missionieren, was zu Unruhen führte. Verwickelt in Thronstreitigkeiten, ließen die Soga 592 den Sushun-Tennō (587—592) ermorden und ersetzten ihn durch die Witwe des Bidatsu-Tennō, die aus ihrer Familie stammte (Suiko-Tennō, 592—628).
 
 Der aristokratische Beamtenstaat
 
Während der Regierungszeit der Suiko-Tennō organisierte ihr Neffe, der Kronprinz Shōtoku (besser bekannt als Shōtoku-taishi, 574—622), seit 593 Regent, die Bildung eines Beamtenstaates nach chinesischem Vorbild. Er übernahm das Rechtswesen und die Verwaltungsordnung der Suidynastie (581—618), das Beamtensystem mit seinen Mützenrängen und öffnete somit das Land für die gesamte chinesische Kultur: Philosophie, Literatur, Geschichte, Kunst, Bauwesen, Handwerk; er erhob den Buddhismus zur Staatsreligion und ließ Tempel (so die älteste buddhistische Anlage, den Hōryūji bei Nara) und Klöster gründen, die zu religiösen, später auch zu administrativen Zentren (»kokubunji«, das heißt Provinzialhaupttempel) wurden. Im Gegensatz zu China waren aber in Yamato nur die Herrscher der »uji« und ihre Nachkommenschaft, aus der später der Hofadel hervorging, berechtigt, hohe Beamtenstellen bei Hofe einzunehmen, ein System, das sie nominell schwächte, aber als kaiserliche Beamte ins Zentrum der Macht brachte, wo sie die Interes- sen ihrer »uji« besser vertreten konnten. So führten diese Maßnahmen zu einer Verfestigung des Tennōsystems und der Adelsherrschaft und zu einer Verbreitung des Buddhismus durch hohe Würdenträger als Äbte der Klöster. In der »17-Artikel-Verfassung« des Shōtoku-taishi, einer Sammlung von buddhistisch und konfuzianisch beeinflussten Regeln zur Stärkung der Moral der Staatsdiener, die eine Aufrechterhaltung der Adelsgesellschaft unter der Führung der Tennō bezweckten, zeichneten sich schon die Reformen von 645 in Umrissen ab, die Japan zu einem zentralistisch regierten Staat machten. Nach dem Tode des Shōtoku-taishi stockte zunächst das Reformwerk, da die »uji«, insbesondere die Soga, durch die Zentralisierung eine Schwächung ihres Einflusses befürchteten. Ihren Gegnern gelang es jedoch, die Soga 645 in einem Staatsstreich zu entmachten und die angestrebten politischen Neuerungen umzusetzen. Die Reformer um den späteren Tenji-Tennō (668—671), unter denen der später so genannte Fujiwara no Kamatari (614—669) eine entscheidende Rolle spielte, erließen 646 das Taika-Edikt, in dem festgelegt war: Verstaatlichung von Grund und Boden, dessen Klassifizierung und planmäßige Verteilung auf Zeit zur Kultivierung, Einteilung des Landes in Provinzen, Kreise und Dörfer und deren zentrale Verwaltung durch besoldete Beamte, Errichtung eines Regierungssystems mit zwei Kanzlern, acht Ministern und weiteren Beamten in 30 Rangstufen (Mützenränge), Volkszählung und Aufstellung von Haushaltsregistern für eine gerechte Besteuerung (Grund-, Natural- und Fronsteuer), Änderung des Personenstandswesens (der Stand der Unfreien wurde aufgehoben), Petitionsmöglichkeiten der Untertanen, Aufbau eines Straßen- und Postsystems, Einführung der Jahreszählung gemäß der kaiserlichen Regierungszeiten mit Jahresdevisen (»nengō«). Seit diesen Reformen setzte sich der Titel »Tennō« für den japanischen Herrscher durch, der mit seinen hohen Beamten die Adelsklasse (»kuge«) bildete. Die Reformen fanden 649 ihren vorläufigen Abschluss. In welchem Umfang sie gegen die Widerstände der betroffenen »uji« durchgeführt werden konnten, ist im Einzelnen nicht feststellbar. Es ist jedoch unbestritten, dass die Reformer eine Stärkung der Zentralgewalt erzielen konnten und ihre Nachfolger das Werk fortsetzten, bis es in den Rechtskodizes von Taihō (701) und Yōrō (718) unter maßgebender Mitwirkung von Fujiwara no Fuhito (659—720), Sohn des Ahnherrn der Familie Fujiwara, Fujiwara no Kamatari, endgültig fixiert wurde und mit der Gründung der ersten festen Hauptstadt Nara 710 seinen Abschluss fand.
 
Dr. Fritz Opitz
 
Weiterführende Erläuterungen finden Sie auch unter:
 
Japan (710 bis 1603): Vom Absolutismus des Kaisers zur Herrschaft der Schogune
 
 
Barnes, Gina L.: China, Korea and Japan. The rise of civilization in East Asia. London 1993.
 
The Cambridge history of Japan, herausgegeben von John W. Hall u. a. Band 1: Ancient Japan, herausgegeben von Delmer M. Brown. Cambridge u. a. 1993.
 Dettmer, Hans A.: Einführung in das Studium der japanischen Geschichte. Darmstadt 1987.
 Dettmer, Hans A.: Grundzüge der Geschichte Japans. Darmstadt 51992.
 
Fischer-Weltgeschichte, Band 20: Hall, John Whitney: Das japanische Kaiserreich. Aus dem Amerikanischen. Frankfurt am Main 1994.
 Kidder, J. Edward: Alt-Japan. Japan vor dem Buddhismus. Aus dem Englischen. Köln 1959.
 Kidder, J. Edward: Ancient Japan. Oxford 1977.
 Lewin, Bruno: Aya und Hata. Bevölkerungsgruppen Altjapans kontinentaler Herkunft. Wiesbaden 1962.
 Meyer, Heinz: Geschichte der Reiterkrieger. Stuttgart u. a. 1982.
 Naumann, Nelly: Die einheimische Religion Japans, Teil 1: Bis zum Ende der Heian-Zeit. Leiden u. a. 1988.
 Pearson, Richard: Ancient Japan. Washington, D. C., 1992.
 Tsunoda, Rysaku: Japan in the Chinese dynastic histories. Later than through Ming dynasties. South Pasadena, Cal., 1951.
 
Windows on the Japanese past. Studies in archaeology and prehistory, herausgegeben von Richard J. Pearson u. a. Ann Arbor, Mich., 1986.

Universal-Lexikon. 2012.

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